Bericht des Präsidiums der Union Evangelischer Kirchen in der EKD

Bischof Dr. Ulrich Fischer, Vorsitzender des Präsidiums

08. November 2013

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Schwestern und Brüder,

das zwölfte und letzte Mal gebe ich hier nun der Vollkonferenz der UEK den Bericht des Präsidiums. Wenn ich heute zurückschaue auf das Jahr 2003, das Gründungsjahr der UEK, oder auf das Jahr 2007, in dem die Verbindungsverträge zwischen UEK, VELKD und EKD wirksam wurden, oder auf das Jahr 2009, das Jahr, in dem die Vollkonferenz der UEK in Würzburg zum ersten Mal in Verbindung mit der EKD-Synode und der VELKD-Generalsynode tagte, dann sage ich heute: Mit der Gründung der UEK als dem Zusammenschluss von EKU und Arnoldshainer Konferenz zur Union Evangelischer Kirchen in der EKD sind Entwicklungen angestoßen worden, die Auswirkungen auf der Ebene der gesamten EKD haben. Ich freue mich über diese Entwicklungen, die ich in der Summe als großen Fortschritt in der Zusammenarbeit der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse in der EKD ansehe. Wir alle haben in dieser Verbindung dazu gelernt: Wir haben voneinander gelernt und nicht zuletzt sind wir uns dabei auch über uns selbst klarer geworden: über unseren Auftrag in der Zusammenarbeit der unierten, der lutherischen und der reformierten Landeskirchen und Gemeinden in der EKD. Hier hat es Klärungen gegeben, Schärfungen der Profile und Erfahrungen über die Möglichkeiten und auch über gegenwärtige Grenzen der Zusammenarbeit.

Ich möchte im Blick auf die Arbeit des UEK-Präsidiums der vergangenen zwölf Monate jetzt nach vorn schauen. Ich möchte hier keinen Punkt setzen, sondern einen Doppelpunkt, und das bedeutet: Wenn ich den Staffelstab heute weitergebe an einen neuen Vorsitzenden oder eine neue Vorsitzende der UEK-Vollkonferenz, dann möchte ich bilanzieren: Wie ist die Situation bei diesem Stabwechsel? Unter welchen Bedingungen wird es weiter gehen mit der Arbeit der UEK? Und wie geht es weiter in der Zusammenarbeit mit der VELKD und in der EKD?

Vor einem Jahr, am Timmendorfer Strand, erfuhr das Verbindungsmodell einen unerwarteten Schub - ausgerechnet durch die Generalsynode der VELKD. Niemand hatte erwartet, dass aus der Generalsynode schon jetzt ein so eindeutiges Signal zu einer Weiterentwicklung des Verbindungsmodells kommen würde. Freilich, im Hintergrund standen auch die "Impulse zur Weiterentwicklung des Verbindungsmodells" aus der UEK, die unser Präsidium im Sommer 2012 gesetzt hatte und die sich die Vollkonferenz dann im November zu eigen gemacht hat. Nachdem die UEK in den Jahren 2011/2012 mit einer Evaluierung ihrer Arbeit vorangegangen war, lagen die Fragen auf dem Tisch: Wie werden die großen vertraglichen Verpflichtungen zu einer Verstärkung und theologischen Vertiefung und Straffung der Zusammenarbeit in der EKD umgesetzt? Welche Fortschritte gibt es dabei, welche Hemmnisse und Konflikte sind zutage getreten, und wie wird dieser Prozess eigentlich reflektiert, begleitet und gesteuert?

Und so standen Gerhard Ulrich als Leitender Bischof der VELKD und ich für die UEK am Morgen des 10. November letzten Jahres vor der versammelten EKD-Synode und hatten nahezu paradoxe Botschaften aus den Debatten unserer Zusammenschlüsse auszurichten: Die Generalsynode mahnte weitere Schritte des Zusammengehens an und nannte dabei fast drängend das Jahr 2017 als Zieldatum. In der UEK-Vollkonferenz dagegen hatten jene Stimmen Gehör gefunden, die dazu rieten, keinerlei zeitlichen Druck aufzubauen, sondern die strukturelle Weiterentwicklung der Zusammenarbeit der Synoden zu verbinden mit einer intensiven gemeinsamen Reflexion und Diskussion über die ekklesiale Qualität der EKD.

Die EKD hat die Bälle, die ihr hier zugespielt wurden, dankenswerter Weise aktiv aufgenommen. Nach einem zustimmenden Beschluss der EKD-Synode hat der Rat der EKD die Initiative ergriffen und in Abstimmung mit dem Präsidium der UEK und der Kirchenleitung der VELKD eine paritätisch besetzte "gemeinschaftliche Perspektivgruppe" unter der Leitung des Ratsvorsitzenden eingesetzt. Für die UEK sind dort die drei Mitglieder des Vorstands vertreten. Gemeinsam haben wir es uns zum Ziel gesetzt, in ein bis zwei Jahren die gemeinsame theologische Reflexion und die Beratungen und Entscheidungen zur strukturellen Weiterentwicklung so weit voranzubringen, dass EKD, UEK und VELKD für die nächste Amtszeit ihrer verbundenen Synoden gemeinsame Ziele und eine gemeinsame Prozessstruktur ihrer Zusammenarbeit formulieren können.

Aus den Beratungen in der UEK hat es sich als zentrale Orientierung für uns herauskristallisiert: Wir wollen in einer sich Schritt für Schritt vereinigenden EKD die theologische Kraft der evangelischen Konfessionen zur Entfaltung bringen. Alle vorgeschlagenen Strukturveränderungen sollen auf dieses Ziel hin ausgerichtet und geordnet werden und müssen sich daraufhin befragen lassen, ob sie diesem Ziel dienen - und eben nicht einer Behauptung derzeitiger Verhältnisse und Machtbalancen und auch nicht einer immer wieder behaupteten angeblich machtpolitisch motivierten "Zentralisierung" der EKD. Die evangelischen Konfessionen sollen in einer künftigen EKD Stimme, Ort und Namen haben. Ihre Arbeitsstruktur soll so ausgestattet sein, dass sie die theologischen und liturgischen, kirchenpolitischen und gesellschaftlichen Anliegen der zu ihnen gehörenden Kirchen und Gemeinden aufnehmen, formulieren und konstruktiv in das gemeinsame Gespräch einbringen können. Das gilt für die Lutheraner wie für die Reformierten und ebenso für die variantenreichen Traditionen unserer unierten Kirchen.

Die EKD der Zukunft wird eine Kirche auf der Basis der Leuenberger Konkordie und der mit ihr ausgesprochenen Kirchengemeinschaft sein. Aber sie wird gerade deshalb keine "unierte" Kirche im herkömmlichen Sinn sein. Die überkommene Differenzierung von "Verwaltungsunion" versus "Bekenntnisunion" ist durch Leuenberg überholt. Und wer aus der Leuenberger Konkordie so etwas wie ein neues "Bekenntnis" der EKD machen möchte, verfehlt geradewegs deren Pointe. Leuenberg eröffnet die Kirchengemeinschaft zwischen bekenntnisverschiedenen Kirchen. Dann aber eröffnet die Konkordie auch die Möglichkeit, dass sich bekenntnisverschiedene Kirchen zu einer Kirche zusammenschließen - wenn es der Erfüllung ihres Auftrages förderlich ist. Das beste Beispiel hierfür ist im Raum der EKD die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland.

Die UEK sieht diese Bedingung auch für die EKD gegeben: Die Evangelische Kirche in Deutschland wird ihrem Auftrag besser gerecht werden, wenn sie die theologischen Anliegen von UEK, VELKD und Reformiertem Bund sichtbar und wirksam in ihre Arbeit integriert. Nach unserem Verständnis gilt der Satz aus der UEK-Grundordnung für die EKD insgesamt: "Als Gemeinschaft evangelischer Kirchen ist die Evangelische Kirche in Deutschland Kirche." Ob nicht alle Beteiligten zu diesem in Jahrzehnten errungenen Grund-Satz heute Ja sagen können?

Zuweilen ist in der Diskussion zu hören: Mag die EKD doch für die gesellschaftspolitischen Anliegen sorgen; für die Theologie bleiben die VELKD, die UEK und der Reformierte Bund zuständig. Liebe Schwestern und Brüder, diese Karikatur einer ekklesiologischen Zweireichelehre führt in die Irre: Wenn wir als Kirche gesellschaftlich Orientierung geben möchten, müssen wir unser Tun und Lassen und Reden theologisch reflektieren und von der Theologie her bestimmen lassen. Wenn kirchliche Stellungnahmen nur wiederholen, was ohnehin gesellschaftlich oder politisch im Trend liegt, dann können wir es lieber sein lassen.

Aber auch umgekehrt gilt: Niemand treibt Theologie im luftleeren Raum. Selbstverständlich ist unser Reden von Gott, unser Beten und Singen, selbstverständlich sind Verkündigung und Liturgie immer auch bezogen auf das, was sich um uns herum abspielt. Und das bedeutet: Es ist auch keine theologische und liturgische Arbeit möglich, die von den uns gegenwärtig bewegenden Fragen in Kirche und Gesellschaft absieht. Theologische Orientierung und gesellschaftspolitisches Engagement gehören in der Evangelischen Kirche in Deutschland zusammen. Diesem Ziel dient die Zusammenarbeit in der Verbindung zwischen EKD und UEK bzw. VELKD.

In der Frage der Weiterentwicklung des Verbindungsmodells haben wir im letzen Jahr im Gespräch aller drei Zusammenschlüsse gemeinsame Reflexion zu den Grundsatzfragen erlebt. Ich freue mich darüber, dass sich inzwischen deutliche Konvergenzen abzeichnen.

Was wird "das Bekenntnis" der EKD sein? Die Frage ist jedenfalls nicht in der Einzahl zu beantworten. Schon heute bezieht sich die Grundordnung der EKD in differenzierter und durchdachter Weise auf die uns bestimmenden Bekenntnistraditionen: [1]

  • Allem voran steht für eine evangelische Kirche das in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments "gegebene" Evangelium von Jesus Christus (Satz 1 der Präambel EKD-GO). Die studierten Theologinnen und Theologen unter uns werden sofort die Grundformel im Ohr haben, die hier zum Ausdruck gebracht wird: Das Evangelium ist "norma normans"; in der Hierarchie der Bestimmungen steht diese allen anderen voran. Die sich darauf beziehenden Bekenntnisse der Kirche sind "normae normatae", sie sind aus der Schrift abgeleitete und immer wieder neu an der Schrift zu prüfende theologische Bestimmungen. Nicht ihre Bekenntnisse also entscheiden über das Wohl und Wehe einer Kirche, sondern die Frage, ob in ihr das Evangelium von Jesus Christus schriftgemäß verkündigt und ausgeteilt wird.
  • Zweitens bekennt sich die EKD in ihrer Grundordnung dazu, "auf dem Boden der altkirchlichen Bekenntnisse" zu stehen. Diese Bestimmung ist für unsere ökumenischen Verbindungen und Gespräche von hoher und bleibender Relevanz. Bereits hier ist im Übrigen von "Bekenntnissen" ausdrücklich im Plural die Rede. Jeder evangelische Christ kann in seinem Gesangbuch nachschlagen, worum es sich hier handelt, nämlich vor allem um das Nizänische und das Apostolische Glaubensbekenntnis [2]. Mit diesen Bekenntnissen stehen wir auf gemeinsamem Boden nicht allein mit der Römisch-Katholischen und der Anglikanischen Kirche, sondern auch mit den Orthodoxen Kirchen; und diese Bekenntnisgrundlage bleibt unser Ausgangspunkt zum Beispiel in Gesprächen mit den Pfingstkirchen.

Drittens, und das ist gewissermaßen die Spitze der Bekenntnisorientierung der EKD, erklärt die Evangelische Kirche in Deutschland, dass für das Verständnis der Heiligen Schrift wie auch der altkirchlichen Bekenntnisse (Zitat:) "in den lutherischen, reformierten und unierten Gliedkirchen und Gemeinden die für sie geltenden Bekenntnisse der Reformation maßgebend" seien. Auch hier haben wir also einen Plural und auch hier wird auf die Nennung einzelner Bekenntnisschriften verzichtet - das muss noch kein Schade, das kann auch eine Tugend sein. Wer aufmerksam liest, dem fällt auf, dass hier, beim Bezug auf die Reformation, ausdrücklich noch keine direkte Aussage für die EKD selbst getroffen ist, sondern genau genommen nur für die Gliedkirchen. An dieser unscheinbaren, aber wichtigen Stelle möchten wir weiterkommen. Dazu liegen bereits eine Reihe hilfreicher Vorschläge auf dem Tisch. Es bleibt spannend, auf welche Lösung wir uns am Ende einigen werden

Als Augen- und Ohrenzeuge der entsprechenden Beratungen wage ich die optimistische Vorhersage: Wir werden binnen Jahresfrist einen gemeinsamen Vorschlag erarbeitet haben, dem alle drei gliedkirchlichen Zusammenschlüsse und alle Gliedkirchen der EKD werden zustimmen können. Zu den theologischen Koordinaten dieser heute angezeigten Weiterentwicklung der Bekenntnisbindung der EKD hier aus Sicht der UEK nur die folgenden fünf Bemerkungen:

  • Es entspräche nicht den Gegebenheiten in der EKD, ein reformatorisches Bekenntnis - und sei es die Confessio Augustana, wie es immer wieder einmal vorgeschlagen wird - als ein sogenanntes "Grundbekenntnis" auszuweisen. Das hat die Kammer für Theologie mit einleuchtender Begründung abgelehnt.
  • Wo steht denn geschrieben, dass eine Kirche eines solchen Bekenntnistextes bedürfte? Es wird immer wieder behauptet, in der Ökumene sei die EKD ein Unikum und konfessionell nicht greifbar. Dem können wir nur entgegnen: Gerade in der reflektierten Integration ihrer Pluralität, gerade mit der "Einheit in versöhnter Verschiedenheit" lebt die Evangelische Kirche ein zukunftsweisendes und ökumenisch herausforderndes Modell des Kircheseins.
  • Mir scheint, dass es heute weniger darum geht, welches reformatorische Bekenntnis oder welche reformatorischen Bekenntnisse in der Evangelischen Kirche als maßgeblich erklärt werden, sondern eher darum, ob und in welchem Sinne die EKD sich auch künftig als eine Kirche der Reformation versteht. Die Frage ist nicht mehr: Wie lutherisch, wie reformiert oder wie uniert ist die EKD? Sie lautet vielmehr: Wie reformatorisch ist die EKD? "Allein aus Gnaden - allein aus Glauben - allein durch die Schrift - Christus allein" - das Jahr 2017 bietet die große Gelegenheit, diese reformatorischen Exklusivbestimmungen nicht nur zu bekennen, sondern sie erneut für unsere Gegenwart plausibel zu machen und ihre Relevanz für unser Glauben und unser Leben herauszustellen.
  • Auch die Leuenberger Konkordie kann wie gesagt für die EKD kaum zu einem solchen "Grundbekenntnis" werden. Aber es wird -über die derzeitige bloße Feststellung der Kirchengemeinschaft unter den EKD-Gliedkirchen hinaus (GO EKD Art. 1 (2)) - notwendig sein, dass die EKD Leuenberg als jene gemeinsame theologische Errungenschaft benennt, hinter die eine Profilierung der Konfessionen in der EKD nicht zurückfallen kann. Und nach Leuenberg bedeutet Konfessionalität immer zugleich auch, die grundlegende Verbundenheit der evangelischen Konfessionen untereinander herauszustellen und zu fördern.
  • Und schließlich: Nach ihrer Grundordnung versteht sich die EKD als "bekennende Kirche". Sie verweist auf die Erfahrungen unserer Kirche während des Kirchenkampfes und bezieht sich inhaltlich auf die Barmer Bekenntnissynode. Die Barmer Theologische Erklärung bleibt für die Evangelische Kirche in Deutschland theologische Wegweisung und herausforderndes Beispiel dafür, wie das Christusbekenntnis der Reformation im aktuellen Bekennen der Kirche wirksam wird. Damit vermeidet sie das Missverständnis, als bräuchte man die reformatorischen Bekenntnisse lediglich zu konservieren, um bekenntnistreu zu sein. Und sie rückt die Frage nach dem überkommenen Bekenntnis der Kirche sachgemäß in den Zusammenhang der Frage, wie wir uns heute glaubwürdig und verständlich zu Jesus Christus bekennen.

Aus guten Gründen hat die UEK im Jahr 2013 zwei inhaltliche Schwerpunkte gesetzt: Das 450jährige Jubiläum des Heidelberger Katechismus und das 40jährige Jubiläum der Leuenberger Konkordie: Das Jubiläum des "Heidelberger" haben wir vor einem Jahr auf der UEK-Vollkonferenz kräftig eingeläutet. Es folgten eine Fülle von Veranstaltungen in Heidelberg selber und in der ganzen Badischen Landeskirche, aber natürlich auch in den reformierten Landeskirchen und Gemeinden der UEK. Vielerorts wurde kreativ und phantasievoll die religionspädagogische Herausforderung des Katechismus aufgenommen. Immer wieder wurde auch der konfessionsverbindende Ansatz des "Heidelberger" herausgestellt. Beim Heidelberger Festakt am 11. Mai war besonders bemerkenswert, dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, wie selbstverständlich daran teilnahm, und wie dann auch Ministerpräsident Winfried Kretzschmann als bekennender Katholik in der Heiliggeistkirche couragiert das Wort ergriff. Überaus erfreulich war die nahtlose Zusammenarbeit zwischen den kirchlichen und politischen Partnern in der Vorbereitung dieses Festaktes und in der Begleitung der großen Ausstellungen zum Katechismusjubiläum.

Zum Jubiläum der Leuenberger Konkordie hat die UEK zwei größere Veranstaltungen mit initiiert und mitgetragen: Sehr kurzfristig wurde die Gelegenheit wahrgenommen, zum Jahrestag der Erstunterzeichnung der Konkordie zusammen mit der EKD, der VELKD und der GEKE am 17. März zu einem Festgottesdienst in den Berliner Dom einzuladen. Die Gäste aus der rumänisch-orthodoxen Kirche, die zu Gesprächen mit der EKD angereist waren, staunten nicht schlecht über die Szenen einer getanzten Johannes-Passion, die in den Gottesdient integriert worden sind. Beeindruckend aber war auch die biographisch gefärbte und zugleich politische Würdigung, die Leuenberg durch den Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, erfuhr.

Sodann beteiligte sich die UEK im August an der Durchführung der diesjährigen Reformierten Sommer-Universität in der Johannes-A Lasco-Bibliothek in Emden. Eine international besetzte Reihe von Vorlesungen und Seminaren widmete sich hier der Theologie der Leuenberger Konkordie: Was sagt die Konkordie eigentlich zu den großen Themen christlicher Lehre, zur Christologie, zur Taufe oder zur Prädestination? Erneut zeigten sich die Artikel der Konkordie, aber auch eine Reihe der neuesten GEKE-Gesprächsergebnisse, als gediegene theologische Texte, deren Studium sich auch für Nachwuchs-Theologinnen und Theologen lohnt.

Fortgesetzt und zu einem vorläufigen Höhepunkt geführt wurde in diesem Jahr der Dialog zwischen der UEK und der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche. Ende Februar fand in der Leucorea in Wittenberg ein paritätisch besetztes wissenschaftlich-theologisches Kolloquium statt. Hier wurde nicht nur die Geschichte der Trennung der "altlutherischen" Gemeinden von der preußischen Union im 19. Jahrhundert analysiert. Zur Sprache kam auch die noch wenig erforschte bewegende Annäherung im Kirchenkampf, als Gemeinden der Bekennenden Kirche in altlutherischen Kirchen Obdach fanden. Wiederentdeckt wurde auch die Buß- und Dankpredigt zum 150sten Unionsjubiläum 1967. Damals nannte EKU-Präsident Franz-Reinhold Hildebrandt unverblümt auch das Unrecht beim Namen, das altlutherische Gemeinden bei dem Versuch einer gewaltsamen Durchsetzung der Union erleiden mussten. Diese Predigt kann nach übereinstimmender Auffassung als ein Wendepunkt in den Beziehungen zwischen Union und selbstständigen Lutheranern angesehen werden. In diesen Tagen ist der Dokumentationsband der gemeinsamen Tagung erschienen; die Beiträge werden eine Grundlage sein für das weitere Gespräch und für das geplante gemeinsame Wort zum Reformations- und Unionsjubiläum 2017.

Aufmerksam und solidarisch hat die UEK die finanzielle Krise der Weltgemeinschaft reformierter Kirchen (WCRC) wahrgenommen und begleitet. Mit großen Hoffnungen waren 2010 in Grand Rapids die beiden großen Ökumenischen Zusammenschlüsse der reformierten Kirchen zu einer "World Communion of Reformed Churches" fusioniert worden - mit mehr als 80 Mio. Mitgliedern repräsentiert die Weltgemeinschaft nun deutlich mehr evangelische Christen als der Lutherische Weltbund. Damit wurden auch die theologisch-konfessionellen und die politisch-gesellschaftlichen Anliegen der reformierten Ökumene sichtbar zusammengeführt. Zugleich verpflichtet die Verfassung der WCRC die Mitgliedskirchen auf eine konfessionsverbindende Ausrichtung im Sinne der Leuenberger Konkordie. Freilich handelt es sich in der großen Mehrzahl um finanziell arme Kirchen, die kaum Geld zur ökumenischen Arbeit beitragen können.

Die Bündelung der Kräfte führte leider nicht zu einer finanziellen Entlastung - im Gegenteil: Vor zwei Jahren stand die Reformierte Weltgemeinschaft vor dem Konkurs. Hauptfaktor dieser Schwierigkeiten sind die Wechselkurse gegenüber dem Schweizer Franken, die bereits beim Eingang der Mitgliedsbeiträge einen hohen, auf die Dauer nicht tragbaren Verlust bedeuten. Schweren Herzens hat sich das Exekutivkomitee schließlich dazu entschieden, den Sitz der Weltgemeinschaft von Genf abzuziehen - wohl wissend, dass dies einen empfindlichen Verlust an Gemeinsamkeit mit den anderen ökumenischen Organisationen bedeutet. Mit Freude wiederum haben wir dann die Entscheidung aufgenommen, dass die Reformierte Weltgemeinschaft ihren Sitz in Hannover nehmen wird - im Januar 2014 wird es so weit sein. Aus der finanziellen Not geboren, ist diese Entscheidung nun eine große Chance für die ökumenische Arbeit in Deutschland. Der Reformierte Bund wird als Mitglied der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen und als Gastmitglied der UEK auf beiden Seiten die wechselseitigen inhaltlichen Anliegen hier und dort einbringen. Wir hoffen auf eine Belebung der ökumenischen Diskussionen hierzulande und auf eine Verdichtung der ökumenischen Zusammenarbeit über die evangelischen Konfessionsgrenzen hinweg.

Fast zum Schluss dieses Berichts nun noch der Hinweis auf ein Novum: Erstmals werden der Generalsynode der VELKD, der Vollkonferenz der UEK und der Synode der EKD gleichlautende Beschlüsse zur Fortentwicklung des Verbindungsmodells vorgelegt. Dies geschieht in Form jener gemeinsamen Vorlage, die mit den Unterlagen zur EKD-Synode versandt wurde. Hier stehen nun neben den Berichten über die Ergebnisse der Evaluation der UEK, die wir hier bereits vor einem Jahr entgegengenommen haben, die Berichte über die Evaluierungen bei der EKD und der VELKD. Der Beschlussvorschlag, den Sie auch in den Unterlagen zur Vollkonferenz unter TOP 2.2 finden, nimmt wesentliche Anregungen auf, die wir mit unseren "Impulsen zur Weiterentwicklung des Verbindungsmodells" vor Jahresfrist gegeben haben. Ich empfehle ihn der Vollkonferenz zur Annahme.

Erlauben Sie mir zum Abschluss meines letzten Berichtes vor der Vollkonferenz nun doch noch einige persönliche Anmerkungen, die einen längeren Zeitraum in den Blick nehmen. Im Spätherbst des Jahres 1995 - ich war damals noch Landesjugendpfarrer - erhielt ich vom badischen Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzenden Bischof Klaus Engelhardt einen Anruf. Bischof Engelhardt hatte in seiner letzten Rede als Ratsvorsitzender während der EKD-Synode in Wetzlar im November 1997 eindringlich darum gebeten, das konfessionelle Blockdenken in der EKD zu überwinden. Und nun fragte er mich, ob ich bereit wäre, in einer Arbeitsgruppe der vier Landeskirchen an der "Rheinschiene" mitzuarbeiten, die über die Zukunft der EKD nachdenken sollte. Auf meinen Einwand, davon hätte ich nun wirklich gar keine Ahnung, antwortete er, dass der Rat der EKD auf der Suche nach "unverbrauchten" Theologen sei, die ganz unvoreingenommen bezüglich der Zukunft der EKD das formulieren sollten, was sie denken. So machten sich eine Pfarrerin aus der Pfalz, ein rheinischer, ein hessen-nassauischer Kollege und ich uns an die Arbeit. Als wir zwei Jahre später - ich war inzwischen zum Bischof unserer Landeskirche gewählt worden - das Ergebnis unserer Arbeit bei Kirchenpräsident Steinacker ablieferten, ahnten wir nicht, welch eine Wirkung dieses so genannten "Rheinschienenpapier" entfalten würde. Wie glaubhaft berichtet wurde, hat es bei Beratungen der Bischofskonferenz der VELKD lebhafte und sehr verärgerte Reaktionen auf dieses Papier gegeben, in dem nämlich die Auflösung der konfessionellen Bünde und die Anerkennung der EKD als Kirche als dringliche Aufgaben formuliert waren.

Diesen Impuls nahm wenig später Kirchenpräsident Eckard von Vietinghoff in der Kirchenkonferenz auf und stieß damit das intensive Nachdenken über die Zukunft der konfessionellen Bünde in der EKD an. Inzwischen hatte ich im Jahr 1999 von Bischof Christian Zippert den Vorsitz in der Arnoldshainer Konferenz übernommen und gemeinsam mit Manfred Sorg, dem damaligen Präses der EKU-Synode machten wir uns - mit vielen Weggefährten und -gefährtinnen - daran, den Zusammenschluss von AKF und EKU auf den Weg zu bringen. Dies gelang schneller als gedacht, und dieses enorme Veränderungstempo brachte mir den Gewinn einer Wette ein. Der ansonsten so glaubensstarke Bruder Axel Noack meinte nämlich, uns würde die Gründung der UEK nicht so schnell gelingen, wie von mir angekündigt. Axel Noack verlor die Wette und den Wetteinsatz in Form einer Kiste Wein mussten mitteldeutsche und badische Synodale während einer EKD-Synode zu sich nehmen. Es war kein großes Opfer.

Die Gründung der UEK gelang. Gern erinnere ich mich an den Gründungsgottesdienst im Berliner Dom und an die Verabschiedung aus der Jebensstraße in Berlin. An dieser Stelle möchte ich nochmals rückblickend den Mitarbeitern der Amtsstelle in Berlin danken für die konstruktive Weise, in der sie den Übergang von der EKU zur UEK begleitet haben. Gern habe ich dann von Anfang an Verantwortung in der Leitung der UEK übernommen. Für mich gehört die nun mit ihrem Vorlauf bereits 18 Jahre dauernde Tätigkeit in AKF und UEK, und damit die Arbeit an der Zusammenführung des konfessionell Verschiedenen in der einen EKD zu den schönsten und erfüllendsten Aufgaben, die ich in den letzten Jahren wahrgenommen habe. Das große Vertrauen, von dem ich getragen wurde und die kollegiale Zusammenarbeit, die sich an vielen Stellen zu einer freundschaftlichen entwickelte, haben mich sehr bereichert, zumal wir während der zurückliegenden Jahre auch einige ausgesprochen gute Personalentscheidungen getroffen haben, die unsere Zusammenarbeit sehr gefördert haben. Die Berufung von Martin Heimbucher zum Theologischen Referenten in der UEK-Amtsstelle und die Berufung von Martin Schindehütte zum Leiter derselben waren für die UEK einfach Glücksfälle, und beiden, die nun auch Abschied nehmen von der UEK, danke ich herzlich für die außerordentlich gute, an der Sache orientierte, von großer Fröhlichkeit getragene Zusammenarbeit, ebenso aber auch meinen beiden langjährigen Vizes Brigitte Andrae und Christian Drägert.

Ich blicke auch noch einmal zurück auf die aufwändigen und mitunter auch recht spaßfreien Verhandlungen mit der VELKD und der EKD, an deren Ende das Verbindungsmodell stand. Es war damals durchaus nicht selbstverständlich, dass wir zu einem Ergebnis kommen würden. Dass dieses aber noch nicht wirklich befriedigend war, zeigte sich während der EKD-Synode im vergangenen Jahr. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass von Synodalen der VELKD-Generalsynode der Anstoß kam, dieses Verbindungsmodell auf den Prüfstand zu stellen. Auch wenn ich heute als Vorsitzender des Präsidiums der UEK zurücktreten werde, so freue ich mich, dass das Präsidium mich in die Steuerungsgruppe zur Weiterentwicklung des Verbindungsmodells berufen hat. Ich hoffe, dass am Ende unserer Arbeit ein Verbindungsmodell stehen wird, das diesen Namen wirklich verdient, und dass das Kirchesein der EKD dann bald zu den geklärten Fragen evangelischer Ekklesiologie gehören wird. Ich wünsche allen, die heute von der Vollkonferenz in die Leitung des Präsidiums der UEK gewählt werden, für ihren Dienst Gottes Segen und dass sie diese Arbeit in der UEK mit ebenso großer Freude tun können wie ich sie getan habe.

Heute sage ich Adieu und danke herzlich für die langen und guten Jahre in der UEK.



  1. Der Vorspruch und Artikel 1 (1-4) der Grundordnung der EKD werden diesem Bericht als Anlage beigefügt.
  2. Ausdrücklich rezipiert die Konkordienformel daneben das sogenannte Athanasianum; vgl. hierzu die empfehlenswerte Ausgabe der "Evangelischen Bekenntnisse", 1997 hg. im Auftrag der EKU, Luther-Verlag, Bielefeld (2. Auflage 2007).


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