„Die unterschiedlichen Dialekte evangelischen Glaubens wert schätzen“

Bericht des Vorsitzenden Landesbischof Dr. Ulrich Fischer im Namen des Präsidiums auf der Vollkonferenz

16. Mai 2008

Liebe Schwestern und Brüder,

an geschichtsträchtigem Ort haben wir uns zu dieser letzten selbständig organisierten Vollkonferenz der UEK in Wuppertal-Barmen  eingefunden. Die Vollkonferenz des Jahres 2006 tagte in Wittenberg, in der Stadt der lutherischen Reformation, die Vollkonferenz des letzten Jahres in Hannover, am Sitz der EKD, die letzte Vollkonferenz nun an diesem Ort, der wie kein anderer für die reformierte Bekenntnisbildung bestimmend war. Die Wahl der Orte für diese Vollkonferenzen hat nicht nur eine hohe symbolische Bedeutung, sondern sie bildet zugleich etwas ab von der Programmatik der UEK: verwurzelt in der Reformation, getragen vom Bewusstsein, die im Protestantismus entwickelten unterschiedlichen Dialekte evangelischen Glaubens wert zu schätzen, und erfüllt von dem Bemühen, das lutherische und refor-mierte Erbe in konfessionell unterschiedlich geprägten evangelischen Gliedkirche und einer gestärkten EKD fruchtbar aufeinander bezogen zur Geltung zu bringen. Mit meinem heutigen Bericht ist ein Schlusspunkt und ein Doppelpunkt zugleich gesetzt: Es ist der letzte Bericht dieser Art vor einer eigens einberufenen Vollkonferenz der UEK und zugleich bildet dieser Bericht den Auftakt zu neuen Arbeitsformen innerhalb der EKD. So begleiten zwei unter-schiedliche Gefühlslagen diese Berichterstattung, nämlich manche Wehmut angesichts des-sen, wovon wir endgültig Abschied nehmen, und  große Vorfreude auf Kommendes, bei dem das geographische Dreieck Wittenberg - Barmen - Hannover theologisch, strukturell und kir-chenpolitisch neu gestaltet wird.


1. Die UEK in der Verbindung mit EKD und VELKD

Die UEK hat Fahrt aufgenommen. Nach dem Umzug und Umbau des Amtes, nach der Straf-fung und Neustrukturierung der Arbeitsbereiche hat das Präsidium im September letzten Jahres die theologischen und kirchenpolitischen „Grundlinien“ diskutiert und verabschiedet, nach denen sich die Arbeit künftig richten soll. (Sie finden diesen Grundlinientext als erstes Dokument in der blauen Broschüre auf Ihrem Platz).
Jetzt wird deutlich: In veränderter Gestalt spielt die UEK im Konzert der gliedkirchlichen Zu-sammenschlüsse ihren Part. Sie wird das Erbe der bald zwei Jahrhunderte umspannenden Geschichte der Union, aber auch Erfahrungen aus der Zusammenarbeit in der Arnoldshainer Konferenz zukunftsweisend in den EKD-weiten Reformprozess einbringen. Sie wird ihre Ar-beit in das Gesamtgefüge zwischenkirchlicher Zusammenarbeit integrieren. Sie wird eine sehr schlanke Struktur behalten. Aber sie wird sich in nächster Zukunft nicht auflösen. Denn das, was die UEK in ihrer heutigen Ausstattung leisten kann, wird auch das Mindeste dessen sein, was einmal in einer vereinigten Evangelischen Kirche in Deutschland an profilierter Ar-beit im Sinne eines unierten Kirchenverständnisses und zur Wahrung der Anliegen auch der reformierten Tradition geleistet werden muss.
Das aber ist Zukunftsmusik. Die Gegenwart ist: Wir schreiben gerade einmal das zweite Jahr nach dem Inkrafttreten der Verbindungsverträge zwischen EKD, UEK und VELKD. Das „Ver-bindungsmodell“ ist jetzt kein Modell mehr. Das vereinbarte Zusammenwirken wird jeden Tag neu nun mit Leben erfüllt. Und wir sehen jetzt, welche Bedeutung die Asymmetrie hat, die in dem Dreieck von EKD, UEK und VELKD besteht. Dass es gravierende Unterschiede in der Struktur und in der personellen Ausstattung der drei Zusammenschlüsse geben würde, das wussten wir. Dass es aber unter den Partnern auch ein unterschiedliches Verständnis davon gibt, was „Verbindung“ in diesen Verträgen heißt und wie sie gelebt wird, das wird in diesen ersten Monaten nach dem organisatorischen Zusammenrücken sichtbar.
Die UEK vertritt ein integratives Verständnis dieser Verbindung. Sie arbeitet daran, ihre Strukturen in die Strukturen der EKD zu integrieren. Und sie erwartet, dass die EKD eines Tages auch die jetzt definierten Kernaufgaben der UEK aufnimmt und weiterführt. Zugleich aber kommt in den Blick, dass unsere Partner und Mitstreiter von der VELKD sich - derzeit noch - von einem anderen Verständnis des Verbindungsmodells leiten lassen; sie streben nicht eine Integration ihrer Aufgaben an, sondern sie vertreten eine Kooperation selbststän-diger gliedkirchlicher Zusammenschlüsse.
Der besondere Weg der UEK in diesem notwendig ungleichseitigen Dreieck mit EKD und VELKD ist ebenso anspruchsvoll wie herausfordernd: Gegenüber der EKD hat die UEK deut-lich zu machen, dass die Integration ihrer Kernaufgaben nicht klammheimlich zur bloßen „Abwicklung“ der Einrichtungen der UEK werden darf. Notwendig ist vielmehr deren Weiter-entwicklung im gesamtkirchlichen Kontext. Gegenüber der VELKD aber hat die UEK zu ver-treten, dass evangelische Konfessionalität vor allem eine kommunikative Aufgabe ist - und nicht zuerst eine Frage institutioneller Abgrenzung.
In der Verbindung und im Gegenüber zu den beiden anderen gliedkirchlichen Zusammen-schlüssen folgt die UEK einer These, die Eberhard Jüngel vor Jahren formuliert hat: Die Be-kenntnisbindung der Landeskirchen „könnte unter dem Dach der EKD sogar intensiviert werden, insofern man im unmittelbaren Gegenüber von lutherischen, unierten und reformierten Landeskirchen sich stets aufs Neue darauf besinnen muss, warum man nun lutherischen oder aber anderen Bekenntnisses ist.“ Genau dieser Erwartung gibt die UEK mit ihrer Kon-zeption Gestalt. Strukturelle Integration und inhaltliche Profilierung sind kein Gegensatz. Die heute geforderte Weise zwischenkirchlicher Arbeit in der EKD ist vielmehr eine Kombination von organisatorischer Integration und theologischer Profilierung.
Dieser besondere Weg der UEK erfordert Mut, nicht zuletzt von denen, die die vorwärts drängende Entscheidungen von Präsidium und Vollkonferenz nun in die Praxis umzusetzen haben. Es gilt, die Balance zu wahren zwischen den beiden gegensätzlichen Kräften, die der UEK mit ihrer Grundordnung eingestiftet sind: ihrer notwendigen strukturellen Vorläufigkeit auf der einen und der von ihr erwarteten inhaltlichen Kontinuität auf der anderen Seite. Oder, um es auf den Punkt zu bringen: Es erfordert schon eine gewisse Kühnheit, für eine Organi-sation zu arbeiten, die es sich zum Ziel gesetzt hat, am Ende sich selbst überflüssig zu machen.
Einfacher aber, liebe Schwestern und Brüder, und weniger anspruchsvoll als in einer solchen Spannung ist Kirche überhaupt nicht zu gestalten. Kirche ist vom Wesen her und notwendig „vor-läufig“. Sie ist vorläufig in dem Sinne, dass sie nicht sich selber zum Ziel hat. Sie ist vor-läufig, indem sie nicht auf sich selbst weist, sondern auf den, „der da ist und der da war und der da kommt“. Kirche ist „vor-läufig“ schließlich auch in dem Sinn, dass sie nicht für die E-wigkeit baut, sondern dass sie als wanderndes Gottesvolk auf dem Weg bleibt, dass sie vor-an läuft auf das Reich Gottes zu, in dem sie selber aufgehoben sein wird.
Davon soll die Kirche zeugen, wie die Theologische Erklärung von Barmen einschärft: „mit ihrer Botschaft wie mit ihrer Ordnung“; davon, dass sie nicht sich selber, sondern Jesus Christus allein gehört. Dass sie weder aufgrund ihrer „großen“ Tradition noch aus den Res-ten ihres gesellschaftlichen Einflusses existiert, sondern dass sie „allein (!) von seinem Tost und von seiner Weisung und in Erwartung seiner Erscheinung lebt und leben möchte“. Viel-leicht kann ja auch eine bewusst vorläufige Organisation wie die UEK in besonderer Weise deutlich machen, von woher und in welcher Erwartung sie als Kirche lebt und wie sie darum auch bereit bleibt, sich selber zu reformieren.

2. Schwerpunkte der Arbeit in den letzten zwölf Monaten

Die neue Amtstelle der UEK wurde in das Kirchenamt der EKD in Hannover implantiert und strukturell neu aufgebaut. Gerade einmal sieben Menschen sind es, die nun unmittelbar die Arbeit im Amt der UEK zu leisten haben, drei davon auf einer ganzen Stelle, die anderen als Teilzeitkräfte. Das kann nur funktionieren, weil und sofern vom Kirchenamt der EKD die Rahmenbedingungen für die Tätigkeit der UEK geklärt werden: die Personal- und die Finanzverwaltung, die technische Infrastruktur und nicht zuletzt auch die Presse- und Öffent-ichkeitsarbeit. Ein Jahr hat es gedauert, bis Zug um Zug die entsprechenden Vereinbarungen getroffen waren, bis das vorgesehene Personal zur Verfügung stand und vor allem, bis alle Außenstehenden verstanden hatten: Es geht weiter mit der UEK. Anders als zuvor; aber zukunftsorientiert und mit einer wenigstens mittelfristigen Perspektive (darüber werden wir heute entscheiden).
Die neue Zusammenarbeit von EKD, UEK und VELKD ist ein Feld, auf dem die herausfor-dernde Maxime der Barmer Theologischen Erklärung ganz buchstäblich zu bewähren ist: „Die verschiedenen Ämter in der Kirche begründen keine Herrschaft der einen über die anderen“. An diesen Grundsatz darf ruhig auch einmal im Blick auf die verschiedenen Kirchen-ämter erinnert werden, die sich nun in Hannover-Herrenhausen unter einem Dach finden. Und auch die Fortsetzung dieser These bleibt zu beherzigen: dass nämlich allen kirchlichen Ämtern - und damit eben auch den Kirchenämtern mit ihren besonderen Aufgaben - ein „der ganzen Gemeinde anvertrauter und befohlener Dienst“ aufgegeben ist. Der Sinn des ge-samtkirchlichen Engagements auch der UEK ist es, „den Gemeinden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu helfen“ (Grundlinien Abs. 7). Dieses Ziel bleibt das kritische und orientierende Prinzip unserer Arbeit.
Für die Mitarbeitenden der Amtsstelle, nahezu allesamt Neulinge in Sachen UEK, galt es zunächst, die verbliebenen Aufgaben zu sichten und zu strukturieren. In Zusammenarbeit mit dem Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (gep) in Frankfurt und mit der Pres-estelle der EKD wurde eine neue Homepage der UEK erstellt. Sie gibt eine gute Übersicht über die Arbeitsbereiche und Einrichtungen und stellt Gesetzestexte zum Download sowie aktuelle Informationen zur Verfügung.
Es galt ferner, vielfacher Verunsicherung zu begegnen, welche die Einrichtungen und die Partner der UEK in dieser Phase des Übergangs ergriffen hatte. Wie würde zum Beispiel die Evangelische Forschungsakademie mit ihren Tagungen von Hannover aus begleitet und unterstützt werden? Wer würde sich um die Historische Kommission zur Erforschung des Pietismus mit ihren umfangreichen und auf Jahrzehnte angelegten Editionsprojekten küm-mern? Würden auch die Berliner Bibelwochen der UEK Grund unter den Füßen behalten?
Als besonders kompliziert erwies sich die Klärung, in welchem rechtlichen Status das Predigerseminar Wittenberg künftig getragen und in seiner Verwaltung begleitet werden sollte. Nach eingehenden juristischen Klärungen konnte das Präsidium der UEK im Dezember letz-ten Jahres schließlich feststellen: Das Predigerseminar ist und bleibt bis auf weiteres Einrichtung der UEK. Unter dieser Voraussetzung wird nun die Geschäftsbesorgung im Zusam-menspiel mit dem Predigerseminar und der Personalabteilung des Kirchenamtes der EKD geregelt. Ein entsprechender Vertrag steht vor dem Abschluss.
Unter einem Dach wird nun auch die Zusammenarbeit der verschiedenen Gremien von EKD, UEK und VELKD intensiviert, deren Arbeit inhaltlich aufeinander bezogen ist. Die Theologi-schen Ausschüsse der UEK und der VELKD und die Kammer für Theologie der EKD sind nicht nur durch die gegenseitige Beteiligung der zuständigen Referenten miteinander verbunden. Zunehmend werden wir uns - um die Sprache der bevorstehenden Fußball-Europameisterschaft aufzunehmen - auch thematisch einander die Bälle zuspielen: Solange die Kammer für Theologie sich mit dem Vorschlag der VELKD auseinandersetzt, ob die Confessio Augustana zu einem „Grundbekenntnis“ der EKD werden soll, muss unser Theologi-scher Ausschuss keinen Parallelprozess initiieren. Erst wenn eine Stellungnahme von Seiten der EKD vorliegt, werden UEK und VELKD das Ergebnis aus ihrer Sicht zu bewerten haben.
Organisatorisch eng verknüpft wurde die Arbeit der Liturgischen Ausschüsse von UEK und VELKD. Die gemeinsame Arbeit an einer Agende zu Ordination und Einführung zeigt beides: In liturgischer Hinsicht lässt sich ein Konsens finden über die Gestaltung der entsprechenden gottesdienstlichen Handlungen. Hier, auf der liturgisch-praktischen Ebene, zeichnet sich eine weitergehende Übereinstimmung ab als in der theologischen Begründung von Amt und Ordi-nation. Andererseits lassen sich agendarisch die historisch gewachsenen Formen und Tradi-tionen nicht einfach nivellieren; das würde dem hohen Stellenwert der traditionellen Ordinati-onstexte in den Landeskirchen auch nicht gerecht. Die unterschiedlichen Formen aber haben nebeneinander und aufeinander bezogen in einer Agende ihren Platz. Hier wird auf der Basis der mit dem Evangelischen Gottesdienstbuch erreichten Gemeinsamkeit konkret weitergear-beitet. Die besondere Aufgabe der UEK ist es dabei, neben der gemeinsamen liturgischen Tradition der ehemaligen EKU-Kirchen auch die anderen landeskirchlichen Liturgietraditio-nen mit ins Spiel zu bringen und zunehmend einzubeziehen.
Konkrete Schritte zur Vereinheitlichung werden derzeit in den Bereichen der Gesetzgebung und  der Rechtspflege gegangen: Am Entwurf für ein gemeinsames Pfarrdienstrecht wird gemeinsam mit der VELKD intensiv gearbeitet. Die Gesetzgebung für ein einheitliches Dis-ziplinarrecht in der EKD wurde mit dem Stellungnahmeverfahren auf den Weg gebracht. Pa-rallel dazu wird die Vereinheitlichung der Rechtspflege unter dem Dach der Kirchengerichte der EKD vorbereitet. Bis spätestens Ende 2010 soll die Verwaltungsgerichtsbarkeit der UEK auf neu zu bildende Kammern und Senate des Kirchengerichts und Kirchengerichtshofs der EKD übertragen werden. Ein entsprechender Vorschlag liegt der Vollkonferenz heute zur Beschlussfassung vor. Damit gibt die UEK einen weiteren Impuls zur Einheit der EKD in ei-ner Kernaufgabe des kirchlichen Rechtswesens.
Neben der Barmer Theologischen Erklärung nennt das Grundlinienpapier die Leuenberger Konkordie als entscheidenden Bezugspunkt der theologischen Orientierung der UEK. Deren zentrale, im Gefälle von CA VII formulierte Voraussetzung ist es, dass es „zur wahren Einheit der Kirche“ notwendig ist und ausreicht, überein zu stimmen „in der rechten Lehre des Evan-geliums und in der rechten Verwaltung der Sakramente“. Die in der Gemeinschaft Evangeli-scher Kirchen in Europa (GEKE) verbundenen Kirchen haben für sich eine solche Überein-stimmung festgestellt. Sie vertiefen sie durch gemeinsame theologische Arbeit und suchen ihre Erkenntnisse in die europäische Ökumene zu vermitteln - und darüber hinaus. Für die UEK liegt diese Arbeit ganz auf der Linie des eigenen Engagements und sie unterstützt die GEKE darum nachhaltig - theologisch und auch finanziell. Es ist ein schönes Zeichen, dass heute Abend in der Barmen-Gemarker Kirche, am historischen Ort der Generalsekretär der GEKE, Bischof Michael Bünker aus Wien zu uns sprechen wird. Damit verbindet sich für uns als UEK sinnfällig Herkunft und Zukunft.
An die erreichte Gemeinsamkeit im Verständnis des Evangeliums und der Sakramente zu erinnern, bot für die UEK der 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Arnoldshainer Abend-mahlsthesen im Herbst letzten Jahres willkommene Gelegenheit. Ein Symposium in der E-vangelischen Akademie Arnoldshain, gemeinsam veranstaltet mit der Hessen-Nassauischen Kirche, gab in zweifacher Hinsicht zu denken: Es kommt in der Kirchengeschichte nicht allzu häufig vor, dass theologische Einsichten nicht allein von 19 Wissenschaftlern unterschiedli-cher Fachrichtungen im Konsens formuliert werden, sondern dass sie darüber hinaus in rela-tiv kurzer Frist zu kirchengestaltenden Konsequenzen führen, nämlich zur Gründung der Ar-noldshainer Konferenz und der GEKE. Peter Cornehl wies in Arnoldshain darauf hin, dass dieser Durchbruch von 1957 ohne die gemeinsame Prägung der Beteiligten durch die Erfah-rung des Kirchenkampfs nicht denkbar gewesen wäre.
Zum anderen hat uns dieses Jubiläum daran erinnert, dass die in Arnoldshain erreichte und formulierte Gemeinsamkeit im Verständnis des Abendmahls nicht durch die Wiederentde-ckung evangelischer Konfessionalität in Frage gestellt werden darf. An diesem Grundsatz hält die UEK auch für die Zukunft der EKD fest. Eine Probe aufs Exempel ist  die geplante Vereinigung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen zu einer Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Der Verfassungsentwurf beschreibt in vorbildlicher Weise Einheit und Konfessionsgebundenheit einer evangelischen Kirche. Und er hält an der erreichten Gemeinschaft zwischen lutheri-schen und reformierten Gemeinden in einer Kirche fest. Die nicht eben einfachen Verhand-lungen zwischen UEK und VELKD zur Gestaltung einer Doppelmitgliedschaft der EKM in beiden Zusammenschlüssen konnten schließlich zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden und ein entsprechender Beschluss über die Feststellung der Mitgliedschaft der EKM in der UEK ist für diese Tagung der Vollkonferenz vorbereitet.

3. Aufgaben und Perspektiven für die nächsten Jahre

Dies ist die letzte selbstständig organisierte Vollkonferenz der UEK. Mit Beginn der neuen Amtszeit im nächsten Jahr wird die Vollkonferenz jeweils im Zusammenhang der EKD-Synode tagen. Es wird Personenidentität bestehen zwischen den aus den UEK-Kirchen kommenden Mitgliedern der EKD-Synode und den Mitgliedern der Vollkonferenz. Die dafür notwendigen Änderungen der Grundordnung hat die Vollkonferenz auf ihrer letzten Tagung beschlossen; heute stehen noch einige dazugehörige Änderungen der Geschäftsordnung auf der Tagesordnung. Inzwischen gibt es auch erste Verhandlungen und Verabredungen mit der EKD zur Vorbereitung und Durchführung der dann miteinander verknüpften Tagungen von Synode und Vollkonferenz.
Die Arbeit der UEK vor allem auf theologischen Arbeitsfeldern gesamtkirchlich weiterzuentwickeln, haben wir uns zum Ziel gesetzt. Im Theologischen Ausschuss leistet es sich die UEK - neben der Beratung zu den im Reformprozess berührten theologischen Fragen - auch grundsätzlich über zentrale Fragen nachzudenken. Ein Votum mit dem Arbeitstitel: „Die Per-sonalität des dreieinigen Gottes“ soll im Jahr 2010 zum Abschluss gebracht werden. Dabei geht es um elementare und aktuelle theologische Fragen: Wie reden wir als Kirche von Gott? Und wie reden wir zu ihm? Und wie verhält sich das eine und das andere zu den Bildern von Gott, die im Schwange sind? Der Streit um die „Bibel in gerechter Sprache“ hat deutlich ge-macht, wie brisant solche Fragen in vieler Hinsicht sind - und wie nötig wir gut begründete und kommunizierbare Antworten brauchen.
Die „Berliner Bibelwochen der UEK“ tragen einen vielleicht missverständlichen und für man-che antiquiert wirkenden Titel. Aber der Name ist nach inzwischen mehr als 1200 Tagungen ein Markenzeichen. Die organisatorische Integration der Bibelwochen in die Evangelische Akademie zu Berlin, die mit dem letzten Jahr vollzogen wurde, bietet die Chance, das Profil der Begegnungstagungen zu schärfen. Waren sie zu Zeiten der Mauer vor allem Gelegenheit zur Begegnung von Christen aus den EKU-Kirchen in Ost und West, so arbeiten sie heute zunehmend im gesamtdeutschen und gesamteuropäischen Horizont. Akademiedirektor Rüdiger Sachau und Tamara Hahn als Studienleiterin gehen diese neue Herausforderung beherzt an. Eine vergleichbare Aufgabe stellt sich der Evangelischen Forschungsakademie. Darüber werden wir im Verlauf dieser Tagung noch aus erster Hand hören; der neue Direktor der Akademie, Professor Andreas Lindemann aus Bielefeld, ist heute Gast der Vollkonfe-renz.
Für das Jahr 2009 ist der 500. Geburtstag von Johannes Calvin als Jahresthema längst im Blick. In Zusammenarbeit mit der EKD und dem Reformierten Bund haben die UEK-Kirchen dafür gesorgt, dass eine Projektstelle für das Calvinjahr eingerichtet werden konnte. Die Vorbereitungen zum Calvingedenken laufen auf vielen Ebenen. Daneben darf aber das „klei-nere“ Jubiläum „75 Jahre Barmen“ nicht vergessen werden. Diese Vollkonferenz der UEK bildet praktisch den Auftakt zu den Veranstaltungen, mit denen des 75. Jahrestages der Barmer Theologischen Erklärung im kommenden Jahr gedacht wird. Hier ist die UEK in besonderer Weise gefordert. Wir regen an, dass auf dem Bremer Kirchentag ein Barmen-Forum veranstaltet wird, auf dem aktuelle Fragen in Kirche und Gesellschaft in das Licht der Barmer Theologischen Erklärung gerückt werden. Wir regen außerdem an, bei dieser Gele-genheit den Begriff der „Freiheit“ theologisch zu schärfen, der die „Kirche der Freiheit“ bei ihren Reformbemühungen leiten soll: Dass die Freiheit der Kirche in ihrem Auftrag gründet, wie es in der sechsten Barmer These heißt, dass diese Freiheit also eine in spezifischer Weise begründete und qualifizierte Freiheit ist, das ist mit Barmen und über Barmen hinaus neu zu lernen und zu buchstabieren.
Ein weiteres Datum, an dem für die UEK mit dem Gedenken eine aktuelle Aufgabe verknüpft ist, wird das Jahr 2013 sein. Dann wird der Heidelberger Katechismus 450 Jahre alt, jenes theologisch-katechetische Werk, das im Geist Melanchthons und Calvins weltweit eine noch stärkere Wirkung entfaltet hat als die Katechismen Luthers. Wäre es bis dahin nicht an der Zeit, an einer Vergegenwärtigung der zentralen Anliegen des Heidelberger Katechismus zu arbeiten? Dies könnte auch ein Beitrag zu einer reformatorisch fundierten Elementarisierung christlicher Glaubensinhalte werden und - im Bezug auf entsprechende Projekte von Seiten der VELKD und der EKD - ein Schritt hin zu einem gemeinsamen Evangelischen Katechis-mus im deutschen Sprachraum. Die Anregung dazu sei jedenfalls hiermit nachdrücklich ge-geben. Auch wurde bereits mit der Kirchenkonferenz und dem Rat der EKD kommuniziert, dass bei weiteren Planungen der Reformdekade „Kirche im Aufbruch“ und der dabei beab-sichtigten bundesweiten Profilierung des Reformationsfestes im Jahr 2013 in besonderer Weise Heidelberg und der Heidelberger Katechismus in den Blick genommen werden sollte.
Ganz frisch aus der Druckerei liegt uns heute die verbesserte Neuauflage der zwei Bände „Evangelische Bekenntnisse“ vor. Sie macht – in gut lesbarer Form und zugleich auf dem neusten Stand der Wissenschaft – die Bekenntnistexte zugänglich, die in den Kirchen der UEK in Geltung stehen: die lutherischen und reformierten Bekenntnisschriften des 16. Jahr-hunderts und daneben die Barmer Theologische Erklärung und die Leuenberger Konkordie, alle zusammen in einer Ausgabe. Diese Neuausgabe, die dankenswerter Weise von der EKD gefördert wurde, ist ein schönes, inhaltsreiches Zeichen für die theologisch-kirchlichen Anliegen der UEK. Wir empfehlen die „Evangelischen Bekenntnisse“ unseren Gliedkirchen zur Beachtung und Verbreitung.
Auf dem weiteren Weg in der „Reformdekade“ bis zum Jahr 2017 wird die UEK ihre Rolle als Sachwalterin der gemeinsamen Anliegen ihrer unierten, reformierten und auch lutherisch geprägten Mitgliedskirchen spielen. Sie wird in aller Bescheidenheit, aber auch mit dem nöti-gen Selbstbewusstsein daran erinnern, dass 2017 nicht nur das Gedenkjahr der 95 Thesen ist, sondern auch der Unionsurkunde von 1817. Die UEK wird zu zeigen haben, wie wir den gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen für die Evangelische Kirche in Deutschland begegnen wollen - in Treue zur theologischen Grunderkenntnis der Reformation, der Recht-fertigung aus Gnade allein, aber zugleich auch in der Weiterentwicklung hin zur Einheit der Kirche.



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