Bericht zum Stand der Überlegungen zur Strukturreform der EKD

OKR Prof. Dr. Jörg Winter

Als Moderator der gemeinsamen Arbeitsgruppe von EKU und AKf fällt mir die Aufgabe zu, Ihnen über den gegenwärtigen Stand der Überlegungen zur Strukturreform der EKD zu berichten, wie er in der letzten Sitzung der Arbeitsgruppe am 1. Oktober zur Kenntnis genommen worden ist.

Die Kirchenkonferenz hat unter dem Vorsitz des ehemaligen Ratsvorsitzenden Klaus Engelhardt einen Ad-hoc-Ausschuss „Strukturreform“ eingesetzt, der im Juni 2003 einen Zwischenbericht vorgelegt hat.  In diesem Zwischenbericht werden als Ziele der Reformbemühungen folgende Ziele benannt:

  • Stärkung einer profilierten Präsenz des Protestantismus in Gesellschaft und Öffentlichkeit
  • Wirksamere und zukunftorientierte Wahrnehmung der Gemeinschaftsaufgaben
  • Vertiefung der theologischen Arbeit vor dem Hintergrund der durch Leuenberg fortentwickelten innerevangelischen Ökumene
  • Verbesserung der Zusammenarbeit der Landeskirchen
  • Ausbau von Beratung und Unterstützung der Landeskirchen
  • Konzentration der Kräfte durch sorgsamen Umgang mit verfügbaren Ressourcen, Abbau von Doppelstrukturen, Transparenz von Abläufen, Willensbildung und Entscheidungsfindung sowie Verbesserung der Kommunikation zwischen den Bekenntnisfamilien.

Dabei müssen folgende Bedingungen eingehalten werden:

  • Erhaltung der konfessionellen Identität und Handlungsfähigkeit
  • Erhaltung der konfessionellen Anschlussfähigkeit

Um die genannten Ziele zu erreichen, schlägt der Ausschuss ein von ihm so genanntes „Verbindungsmodell“ vor, dessen Kerngedanke darin besteht, dass die gliedkirchlichen Zusammenschlüsse ihren Auftrag innerhalb der einheitlichen Struktur der EKD erfüllen und nicht neben ihr. Es basiert auf dem Grundgedanken, soviel wie möglich an Gemeinsamkeit aller Gliedkirchen zu erreichen und soviel Differenzierung für die Gliedkirchen zuzulassen, wie es nötig ist. Innerhalb der gemeinsamen Struktur können sich als Untergliederungen Zusammenschlüsse mit dem Recht zu je eigener Willens- und Entscheidungsbildung in ihren Angelegenheiten bilden. Die EKD würde damit grundsätzlich als die Gemeinschaft aller Gliedkirchen deren Gemeinschaftsaufgaben wahrnehmen. Zu diesem Zweck werden nach dem Vorschlag des Ausschusses die bestehenden gliedkirchlichen Zusammenschlüsse in die EKD eingefügt. Die Einzelheiten dazu sollen durch Verträge der Zusammenschlüsse mit der EKD geregelt werden, die das unterschiedliche Selbstverständnis berücksichtigen.

Der Ausschuss schlägt vor, in die Grundordnung der EKD einen neuen § 21 a einzufügen, der es gliedkirchlichen Zusammenschlüssen erlaubt, ihren Auftrag innerhalb der EKD durch die Bildung von Konventen in der EKD-Synode und der Kirchenkonferenz wahrzunehmen. Die Mitglieder der EKD Synode, die dem jeweiligen Konvent angehören, wären nach dem gemachten Vorschlag zugleich die Mitglieder der Generalsynode der VELKD bzw. der Vollkonferenz der UEK, wobei die Möglichkeit offen bleibt, das weitere Mitglieder hinzutreten. Auch im Rahmen der Kirchenkonferenz könnte eine weitgehende Identität der Personen zwischen den Mitgliedern des Konvents und dem Leitungsorgan des gliedkirchlichen Zusammenschlusses erreicht werden. Dies zu regeln wäre allerdings Sache der Zusammenschlüsse selbst und nicht der EKD.

Die Konvente können nach einem neuen Art. 21 b in der Grundordnung der EKD in der Kirchenkonferenz durch Beschluss die Zuständigkeit für die Regelung eines Sachverhalts an sich ziehen. Dafür ist ein doppeltes Quorum vorgesehen. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln der diesem Konvent angehörenden Gliedkirchen und ist wirksam, wenn die zustimmenden Gliedkirchen mindestens drei Viertel der diesem Konvent zuzurechnenden Kirchenglieder vertreten. Diese Absicherung ist nötig, damit der Grundsatz der Erfüllung der Aufgaben in der Gesamtgemeinschaft nicht ausgehöhlt wird. Bei der Ausübung dieses Rechts kommt es nicht darauf an, dass das aus Bekenntnisgründen unbedingt notwendig ist, damit nicht jede Sachfrage zu einer Angelegenheit des Bekenntnisses gemacht werden muss.

Der Ausschuss hat damit ein anderes „Konventsmodell“ abgelehnt, das die Auflösung der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse und an ihrer Stelle die Bildung bekenntnisgebundener Konvente vorsah. Im Unterschied zur UEK hat sich die VELKD nicht bereit erklärt, ihre eigene Auflösung zugunsten einer neuen EKD Struktur in Aussicht zustellen. Es wäre auch mit dem Selbstverständnis der in der UEK zusammengeschlossenen unierten und reformieren Kirchen nicht zu vereinbaren gewesen, das gemeinsame Bekenntnis zum zwingenden Organisationsprinzip von Untergliederungen innerhalb der EKD zu machen.

Das ist schon deshalb nicht möglich, weil es Gliedkirchen in der EKD gibt - wie z.B. die beiden hessischen Kirchen - die sich bewusst als „evangelisch“ ohne Bindung an eine bestimmte Konfessionsfamilie verstehen. Im Übrigen gehört mit Pommern auch eine lutherische Kirche der UEK an und in den unierten Kirchen sind lutherische Traditionen durchaus lebendig. Mit Oldenburg und Württemberg haben sich im Übrigen zwei lutherische Kirchen durch ihren Gaststatus der UEK zugeordnet. Es kann deshalb keinen Alleinvertretungsanspruch zur Wahrung des lutherischen Erbes durch die heute in der VELKD zusammengeschlossenen Gliedkirchen geben.

Ebenso ablehnt worden ist im Ad-hoc- Ausschuss das „Integrationsmodell“, das auf den Beitritt der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse zur EKD unter Beibehaltung der parallelen Strukturen und Ämter abzielte. Bisher bestand der ungereimte Zustand, dass zwar die EKU neben ihren Mitgliedern Gliedkirche der EKD war, nicht aber die VELKD. Wesentliche Ziele des mit der Gründung der UEK angestrebten Reformprozesses wären mit diesem Modell nicht erreicht worden.

Mit der Umsetzung des Verbindungsmodells würde erreicht, dass grundsätzlich die EKD die Gemeinschaftsaufgaben für alle Gliedkirchen wahrnimmt. Ein Kernpunkt ist dabei, dass für die Verwaltungsaufgaben der EKD und der in ihnen tätigen gliedkirchlichen Zusammenschlüsse künftig nur noch ein Kirchenamt benötigt wird. Das bedeutet eine Auflösung des lutherischen Kirchenamtes in Hannover und der Kirchenkanzlei der EKU in Berlin in ihrer bisherigen Form und erfordert eine organisatorische Umbildung des Kirchenamtes der EKD. In ihm soll es künftig statt einer zwei theologische Hauptabteilungen geben, an deren Spitze jeweils ein Vizepräsident lutherischen bzw. unierten oder reformierten Bekenntnisses steht.
Die Hauptabteilungen als solche sind aber nicht konfessionell ausgerichtet, sondern arbeiten in ihrer jeweiligen Zuständigkeit für die ganze EKD und alle Gliedkirchen. Dem jeweiligen Vizepräsidenten wird eine Stabstelle zugeordnet, die nicht in die Hierarchie des Kirchenamtes eingebunden ist. Sie hat die Aufgaben wahrzunehmen, die ihr von den Organen des jeweiligen gliedkirchlichen Zusammenschlusses übertragen worden sind und die von diesem zu finanzieren ist. Die Vizepräsidenten haben damit als Leiter einer Hauptabteilung des Kirchenamtes und als Vorsteher der ihnen zugeordneten Stabstelle eine Doppelfunktion. Sie sind einerseits in die kollegiale Leistunkstruktur des gemeinsamen Kirchenamtes eingebunden und als Hauptabteilungsleiter den Organen der EKD verantwortlich, anderseits arbeiten sie unter der Verantwortung seiner Organe für den gliedkirchlichen Zusammenschluss ihrer Konfession. Ihre Berufung ist daher nur im Einvernehmen zwischen dem Rat der EKD und den Organen der VELKD bzw. der UEK möglich.

Der Vorteil dieser Konstruktion besteht darin, dass die gliedkirchlichen Zusammenschlüsse unter dem einen Dach des gemeinsamen Kirchenamtes verbindlich miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten, zugleich aber autonome eigene Rechte behalten. Die vorgeschlagene Grundordnungsänderung gibt dabei kein starres System vor, sondern lässt bewusst auch „asymmetrische“ Lösungen zu. Das betrifft z.B. die notwendige Größe der Stabstellen, die unterschiedlich ausfallen kann, als auch die Frage der inneren Organisation der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse. Festzuhalten bleibt allerdings, dass dieses Modell nur funktioniert, wenn die gliedkirchlichen Zusammenschlüsse als Vertragspartner der EKD dauerhaft bestehen, so dass eine völlige Selbstauflösung der UEK damit wohl nicht mehr in Betracht kommt.

Bei genauerer Betrachtung kann festgestellt werden, dass das „Verbindungsmodell“ des Ad-hoc-Ausschusses so neu und revolutionär nicht ist, wie es zunächst erscheinen mag. Ähnliche Grundgedanken hat Heinz Brunotte schon 1946 im Blick auf die angestrebte Gründung einer lutherischen Konfessionskirche in ihrem Verhältnis zu einer künftigen EKD geäußert:

„Auf keinen Fall sollte die Vereinigte Lutherische Kirche eine Zwischeninstanz zwischen den Landeskirchen und den Leitungsorganen der EKD werden. Am zweckmäßigsten würde es sein, wenn es gelänge, die leitenden Organe der Vereinigten Lutherischen Kirche in die leitenden Organe der EKD einzubauen, derart, daß die Abgeordneten der Generalsynode der EKD, die aus lutherischen Kirchen entsandt werden, zugleich in Fragen der lutherischen Lehre und Gottesdienstordnung die lutherische Synode darstellen; daß die lutherischen Mitglieder des Rates der EKD zugleich Kirchenleitung der Vereinigten Lutherischen Kirche sind; und daß die Kirchenkanzlei personell so besetzt wird, daß die Sachbearbeiter bei bestimmten Fragen eine „itio in partes“ vornehmen können und die lutherischen Räte der Kanzlei zugleich die lutherische Kirchenkanzlei darstellen.“

Die Vorschläge der Ad-hoc-Kommission kommen diesen Vorstellungen Brunottes sehr nahe. Die mit der Gründung der UEK angestrebten Ziele, nämlich eine wesentliche Stärkung der Gesamtorganisation des Protestantismus in Deutschland in Gestalt der EKD und eine Vereinfachung der kirchlichen Strukturen sind damit aufgenommen worden und würden in ihrer Realisierung wesentlich vorangebracht, wenn die zuständigen Gremien der EKD und der gliedkirchlichen Zusammenschlüsse dem grundsätzlich zustimmen. In der Ausarbeitung der Einzelheiten besteht sicher noch erheblicher Beratungs- und Verhandlungsbedarf. Schon heute aber kann gesagt werden, dass die bisher in der EKU und AKf zusammengeschlossenen Kirchen mit der Bildung der UEK einen wichtigen Schritt getan haben, der den über viele Jahre hinweg festgefahrenen Bemühungen um eine Stärkung der EKD als Gesamtorganisation des deutschen Protestantismus neue Schubkraft verliehen hat.

OKR Prof. Dr. Jörg Winter

1) Der Zwischenbericht ist abgedruckt in epd-dokumentation Nr. 28a v. 7 Juli 2003.
2) Der Ausschuss hat bereits Anregungen für die Vertragsgestaltung vorgelegt. Neben der Festlegung allgemeiner Grundsätze wird es dabei vor allem auch um die Regelung von Finanz- und Haushaltsfragen gehen müssen.
3) Einheit und Gliederung der Evangelischen Kirche in Deutschland, in: H. Brunotte, Bekenntnis und Kirchenverfassung, Aufsätze zur kirchlichen Zeitgeschichte (AKZ Reihe B, Darstellungen, Bd. 3), Göttingen 1977, S. 121.



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