Programmatische Andacht zur Kirchengemeinschaft mit der United Church of Christ (UCC) in den USA

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Liebe Schwestern und Brüder!
 
Mitternacht. Im Glockengestühl des Magdeburger Doms findet eine tierische Versammlung statt. Es  sind die jeweiligen Kirchenmäuse, die in den schwarzen Aktenkoffern ihrer Delegierten mitgereist  sind. Hören wir ruhig einmal in das Gepiepse hinein: 

„Ükk, Ükk“, klingt es hinter einem Giebelbalken hervor. „Utz, Utz“ antwortet ein Gegenüber an  einem Glockenseil hängend. Wir merken: Heute geht international zu. Keine einfache Aufgabe. Keine  leichte Verständigung. Die Kirchenmäuse beäugen sich. Aber „Ükk“ – weil Heimvorteil - macht nun  tatsächlich den ersten Schritt auf die Auslandsmaus zu. Und erklärt sich: „Gestatten „Ükk“, das  kommt von UEK, die kommt von der EKU, Old Prussia, you know,“ fügt sie selbstbewusst und versiert  noch hinzu. „Und das alles haben wir Martin Luther und Johannes Calvin und Friedrich Wilhelm III. zu  verdanken.“ Imposant. Das sitzt. 

Die Maus mit dem „Utz“-Laut ist, wie soll ich sagen, beeindruckt. Aber, weiß der liebe Himmel, auch  nicht gerade auf den Mund gefallen. „“Utz“ comes from UCC, and that goes back to Evangelical und  Reformed on one side, and Christian and Congregational, on the other side. And way back we based  our faith on Martin Luther and John Calvin. (not to confuse with Calvin Klein, you know)”  Die UEK-Maus hat schon lang kein Englisch mehr gehabt. Aber so viel hat sie immerhin verstanden:  Die UCC ist eine Vereinte, Unierte Kirche. Komisch“, denkt sie, „bin ich auch. Evangelisch, das kenn  ich aus meiner preußischen Geschichte. „Reformed“ müssen die Reformierten von Oberrhein sein.  Ausgewandert in die Neue Heimat. Bleibt „Congregational“ – war das nicht, waren das nicht die  Pilgerväter und Mütter, Stichwort Mayflower? Aber „Christian“ – hm, sind wir das nicht alle.“ „Utz“  hilft aus.: „So nennen wir ein Revival Movement, eine Erweckungsbewegung in den Südstaaten. Die  vier sind wir.“ 

Jetzt ist es raus: „Utz“ ist nicht von hier. „Utz“ kommt von über dem Teich. Amerika. United States.  Misstrauisch schielt “Ükk” hinüber. Schon das äußere Erscheinungsbild der beiden Kirchenmäuse  differiert. Ükk sieht so aus, wie wir uns halt eine Unierte vorstellen: Das Bäffchen ist halb offen. Über  den kleinen spitzen Ohren noch aus lutherischer Tradition das Barett. „Utz“ ist bunter. Sie trägt ein  Kreuz mit Krone, auf einem dreigeteilten Erdball. „That they may all be one“ steht im Kranz darum.  “Kenn ich”, denkt „Ükk“, „Johannes 17,21, „damit sie alle eins seien“. „Ükk“, das muss man wissen,  hat lang und breit Theologie studiert: Heidelberg, Göttingen, Tübingen, Bonn. Ob „Utz“ das auch  gemacht hat? Ihre Stola, die sie fröhlich über einem luftig-weitgenähten Talar geworfen hat, trägt  den Aufdruck „Let it shine“; und erinnert damit eher an das Musical Hair aus den 60er Jahren als an   Systematische Theologie. 

Egal. Jetzt ist man zusammen im Magdeburger Dom. Nicht um sich vorzuverurteilen. Nein, man  möchte sich doch begegnen. Kennen lernen. Wie die Delegierten drunten im Kirchenschiff auch. Und  so sucht „Ükk“ das Gespräch, stimmt von  Neuem an und sagt: „Ich glaube an Gott, den Vater, den  Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“ Pause. Atemholen. Keine Reaktion.  Schließlich fügt „Ükk“ noch hinzu: „Ja, was glauben Sie denn?“  

„Utz“ streicht sich die Barthaare. Nach einer Pause antwortet sie selbstbewusst und solemn zugleich:  „We believe in you, O God, Eternal Spirit, God auf our Saviour Jesus Christ and our God.“ „Geht’s  auch auf Deutsch?“ fragt die perplexe „Ükk“ zurück. „Utz“ runzelt die Mäusestirn: In fließendem  Deutsch, sicherlich mit amerikanischen Akzent unterlegt, kontert sie: „Ja besitzen Sie denn nicht das  Evangelische Gesangbuch, EG, Ausgabe für die Evangelische Kirche im Rheinland, Westfalen, Lippe in  Gemeinschaft mit der Evangelisch-Reformierten Kirche und den Kirchen im Großherzogtum  Luxemburg?“ „Ükk“ krammt in seinem kleinen Diplomatenkoffer. Da ist die Ausgabe des EG. „Und  nun schlagen sie bitte die Nr. 818 auf.“ Tatsächlich, da steht es, „Statement of Faith, Glaubenszeugnis  der United Church of Christ“, englisch und deutsch. Darunter noch die Erklärung: „Die Evangelische  Kirche der Union ist dieser Kirche in den USA seit 1980 durch Kirchengemeinschaft verbunden.“  „Ükk“ wird rot.

Aber „Ükk“ ist auch schlau. „Ükk“ will sich jetzt nicht lange an Formalitäten aufhalten. „Ükk“ will,  „Ükk“ sucht das theologische Gespräch. Denn nun dämmert es ihr wieder. Hatte es da nicht schon in  den 70er Jahren Gespräche Kolloquien gegeben, in denen manch strenge Anfragen aus dem Alten  Europa der Neuen Welt gegenüber gestellt wurden? Galt die Trinität noch etwas bei „Utz“? Oder  hatte sich ein wohlfeiler Unitarismus eingeschlichen? Verbat der Feminismus gar, noch von Vater und  Sohn zu sprechen, aus Angst man wäre nicht inklusiv genug? Also, wie hält es die Besucherin mit der  Gretchenfrage? Das alles sprudelt jetzt etwas unsortiert aus „Ükk“ heraus“. 

Aber „Utz“ ist ja nicht auf den Kopf gefallen: „Wir glauben an dich, o Gott, ewiger Geist, Gott unseres  Heilandes Jesus Christus und unser Gott“, übersetzt die Kirchenmaus nun hilfreich. Und „Utz“ beginnt  zu erklären und zu erzählen. Ein bisschen wie der Apostel Philippus auf dem Wagen des Kämmerers  aus dem Morgenland, Apostelgeschichte 8. „Du glaubst: Ich glaube an...“, beginnt sie, „Wir aber  glauben als - wir. Nie allein. Deshalb sind wir in Magdeburg. Das ist Kirchengemeinschaft, you know,  und alle sind dabei: Deutsche und Amerikaner, aber auch Frauen und Männer, Behinderte und  Nichtbehinderte, Menschen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung, Junge und Alte. Wir  nennen das „open and inclusive“. Und deshalb heißt es an einer späteren Stelle in unserem  Statement of Faith auch: „Binding in covenant faithful people of all ages, tongues , and races“ (Du  erneuerst die Kirche Jesu Christi, schließt glaubende Menschen jeden Alters, aller Sprachen und aller  Rassen zu deinem Bund zusammen.) „Das klingt aber sehr aktionistisch“, runzelt „Ükk“ die kleine  Mäusestirn.“ „Aktionistisch? Das ist lebendig. Deshalb sprechen wir unser Bekenntnis aus  präsentisch. „Du schaffst Menschen nach deinem eigenen Bild“, sagen wir zu Gott, „Du suchst in  heiliger Liebe von Ziellosigkeit und Sünde zu retten.“ „Ükk“ schweigt. „Ükk“ denkt. Jetzt hakt sie  nach: „Und Jesus, der Christus? Ist er wirklich bei Euch auch der Heiland? Und nicht nur der gute  Mann aus Nazareth?“ „Utz“ seufzt. Und ist geduldig. Und zitiert: „In Jesus Christ, the man of  nazareth, our crucified and riesen Saviour, you came to us, reconciling the world to yourself. Die  Niebuhr-Brüder, Thillich und Bonhoeffer nannten es “Heilsgeschichte”. Wir übrigens auch,“ fügt  „Utz“, die theologisch gar nicht so unbeleuchtet zu sein scheint, hinzu. „Ükk“ wird stiller. „Ükk“ wird  nachdenklicher. „Bliebe noch die Frage“, piepst sie schließlich hervor, „ob Ihr Euch nicht manchmal  doch verzettelt in Resolutionen zu allem und jedem: Palästina, Weltwirtschaftskrise, Sex.“ Jetzt ist  „Utz“ an er Reihe. „Und ihr?“, fragt sie nun tatsächlich doch etwas spitz zurück: „Was bewegt  eigentlich euch über den normalen Sitzungsalltag hinaus? Fromme Worte meist, nothing more? Wir  haben Bonhoeffers “Nachfolge” genau gelesen. Männer und Frauen der United Church of Christ sind  mit Martin Luther King nach Montgomery marschiert. Sie ließen sich auf den Stufen des Capitols  während des Vietnamkriegs verhaften. Auch unsere Kirchenpräsidenten waren darunter. Sie haben  vor einem Desaster im Irak und Afghanistan gewarnt. Courage in the struggle for justice and peace“  nennt das unser Glaubensbekenntnis.“ „Ükk“ gibt sich nachdenklich. Und fragt sich, ob EKU,UEK,EKD  von solcherart Glaubens-Mut nicht wirklich noch manches lernen könnten. Allein, die letzte Frage im  Glockengestühl bleibt: „Bei so viel Engagement“, formuliert sie vorsichtig, „ Haben da Eure Gemeinde  überhaupt noch Luft zum Beten?“ „Unsere Gemeinden?“, „Utz“ runzelt die kleine Mäusestirn, „man  merkt, liebe „Ükk“, dass Du noch nie in einem „worship service“ bei uns warst. Wie wir Menschen  willkommen heißen, wie wir viele in die Gestaltung der Gottesdienste, musikalisch, spirituell, betend  einbinden. You call us into your church to accept the cost and joy of discipleship”, sagt dazu unser  Glaubensbekennrtnis, “to share in Christ’s baptism and eat at his table. Und das alles, weil wir  getragen werden von der tiefen Überzeugung: You promise eternal life in your realm which has no  end.“ 

Es ist still geworden im Magdeburger Glockengestühl. Bei den letzten Worten von „Utz“ haben sich  die beiden Mäuse die Pfoten gereicht. Innig. Während die Vollkonferenz drunten unter Beifall eine  Entschließung zur Kirchengemeinschaft fasst, liegen sich zwei Kirchenmäuse oben, dem Himmel so  nah, in den kleinen Armen. Erleben Kirchengemeinschaft mäusenah. Blessing and honor, glory and  power be unto you, gracious God. Amen

 



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